Einer unserer Gäste fand in unserer Schlossbibliothek diesen wunderbaren Textausschnitt aus dem Gedicht “Der Tod und das Mädchen:
Das Mädchen
Vorüber! Ach Vorüber!
Geh wilder Knochenmann!
Ich bin noch jung, geh Lieber!
Und rühre mich nicht an.Der Tod
Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!
Matthias Claudius
Bin Freund, und komme nicht, zu strafen:
Sei gutes Muts! Ich bin nicht wild,
Sollst sanft in meinen Armen schlafen.
Das erste Mal bin ich auf Matthias Claudius gestoßen, als ich dieses Gedicht las:
„Wie ein Blatt vom Baume fällt, so fällt ein Mensch aus seiner Welt, die Vögel singen weiter.“
Egal was passiert, das Leben geht weiter
Zunächst habe ich dieses Gedicht überhaupt nicht im Zusammenhang mit dem Tod eines Menschen gebracht. Für mich interpretierte ich es eher so: Egal was uns passiert oder gerade enttäuscht oder traurig macht, die Erde dreht sich weiter. Und es stimmt, die Vögel sind unbeeindruckt von dem was passiert und zwitschern jeden Morgen fröhlich.
Als ich dann recherchierte, wer Matthias Claudius war, war ich einigermaßen erstaunt, dass er sehr viel Trauerliteratur geschrieben hat. Warum eigentlich?
Matthias Claudius selbst erlebte das Thema Tod sehr nahe.
1751, als er 11 Jahre alt war, starb seine Schwester Lucia Magdalena im Alter von zwei Jahren, wenige Tage später sein Bruder Lorenz im Alter von fünf Jahren, zwei Monate später sein Halbbruder Friedrich Karl aus der ersten Ehe des Vaters. Früh begegnete er also dem Tod, den er „Freund Hain“ nannte und dem er sogar seine Bücher widmete. Umso mehr schätzte und liebte er das Leben.
1759 begann Matthias Claudius, kleine Erzählungen und Lieder zu schreiben. Er erkrankte an den Pocken, wurde aber wieder gesund. Sein Bruder Josias, der ihn hingebungsvoll versorgt und gepflegt hatte, hatte sich aber anscheinend angesteckt. Er erkrankte und verstarb 1760. Die erste von Matthias Claudius veröffentlichte Schrift war die Traueransprache, die er im Alter von 20 Jahren in Jena für Josias hielt.
Tatsächlich fand er sein privates Glück mit seiner Frau. In Wandsbeck heiratete Claudius am 15. März 1772 die damals 17-jährige Anna Rebekka Behn (geb. 26. Oktober 1754), Tochter des örtlichen Zimmermanns und Gastwirts Joachim Behn.
Das Paar bekam 12 Kinder, von denen das erstgeborene kurz nach der Geburt starb.
Viele Aufbrüche und Abbrüche im Leben des Matthias Claudius
Wie kann man so viele Schicksalsschläge verarbeiten und trotzdem weiter schaffen?
Diese Frage habe ich mir gestellt. Wo bleibt man mit seinem Schmerz, wie geht man mit seiner eigenen Angst um? Matthias Claudius hat dafür Antworten in seinem literarischen Werk gesucht und auch gefunden.
Bleibt nur am Ende festzustellen, dass bei der Betrachtung seines Lebens viele Aufbrüche in Ausbildung, Arbeiten und Wohnen zu verzeichnen sind. Aber auch sehr viele Abbrüche. Er ließ sich von nichts und niemanden verbiegen, sondern blieb sich selber treu. Vielleicht ist es das, was er meinte dem Leben und seinen viel zu früh gestorbenen Angehörigen zu schulden.
Einen schönen Spätsommer wünscht das Team vom Hospiz Schloss Bernstorf